Wie dumm sind die Verbraucher?

26.09.2013 von Kraus

Früher sind die deutschen Gerichte davon ausgegangen, dass die Verbraucher ziemlich blöd und unaufmerksam sind. Eine Werbemaßnahme konnte deshalb ganz schnell mal als wettbewerbswidrig gelten, sobald man fürchten musste, dass irgendein schludriger Verbraucher dadurch getäuscht werden könnte.

Dann kam vor einigen Jahren der Europäische Gerichtshof (EuGH). Seiner Meinung nach kann man den Verbrauchern schon etwas mehr zutrauen. Jedenfalls ist eine Werbemaßnahme in Ordnung, wenn ein durchschnittlich wacher Verbraucher sie richtig versteht. Diese Rechtsauffassung hatte sich inzwischen über viele Jahre bewährt und eigentlich fanden alle sie richtig.

Aber: im bösen Internet ist jetzt wieder alles anders. Und das kam so: Findige Betrüger hatten Internetseiten gebastelt, auf denen sie die Schnellklicker in irgendwelche Bezahlfallen lockten – schwups sollte ein kostenpflichtiger Vertrag zustande gekommen sein. Dann nervten sie die Betroffenen mit Mahn- und Inkassoschreiben. Die derart Geplagten schrien Zeter und Mordio, vorzugsweise in reißerischen Fernsehbeiträgen des Vorabendprogramms. Bis die Politiker, zumindest die Verbraucherschützer unter ihnen, das Gefühl hatten, beim Wahlvolk „ein Zeichen setzen“ zu müssen. Es wurde die ziemlich sinnlose „Buttonlösung“ als Gesetz erlassen. Ergebnis: zweistellige Millionenschäden bei den seriösen Onlinehändlern, die ihre Shops mal wieder umbauen mussten. Keine Verbesserung bei den betrügerischen Angeboten, denn die halten sich sowieso nicht an Gesetze. Ach ja: die betrügerischen Verträge dürften übrigens schon vor der Buttonlösung unwirksam gewesen sein.

Und so kommt es, dass auch die deutschen Gerichte – aber nur im Internet – jetzt wieder vom dümmstmöglichen Verbraucher ausgehen müssen, wie eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Berlin zeigt: der Button

„Jetzt  verbindlich anmelden! (zahlungspflichtiger Reisevertrag)“

ist demnach leider nicht gesetzeskonform und ist somit wettbewerbswidrig, weil ein Verbraucher daran – aber nun wirklich – nicht erkennen kann, dass der Klick Geld kosten wird. Und bevor jetzt wieder alle auf die Richter schimpfen: das Gesetz ist schon sehr streng und Richter bemühen sich einfach nur, den Willen des Gesetzes mit ihren Entscheidungen zu treffen.

P.S.: Ich bin eigentlich ein großer Fan unseres Rechtssystems, aber Verbraucherschutz (und übrigens auch Datenschutz) lassen einen manchmal staunend zurück.

P.P.S.: Vielleicht bin ich ja auch der Einzige, der diesen Button des Reiseveranstalters für verständlich hält. Wie sehen Sie das? Ist der Button zu lang? Ist er zu unklar? Oder sind wir schon „Buttonlösung“-geschädigt? (Sie können unten einen Kommentar hinterlassen.)


„Cristal“: Champagner Roederer gegen Weinmischgetränk Catuma

15.09.2013 von Kraus

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Wie die Berliner Zeitung kürzlich berichtete, verklagte der französische Champagner-Hersteller Louis Roederer den Berliner Hersteller des Party-Getränks „Catuma“. Der Grund: „Catuma“ wird mit dem Zusatz „Cristal“ verkauft und „Cristal“ ist als Sektmarke für Roederer geschützt.

Der Catuma-Hersteller will laut Berliner Zeitung „die Szene mobilisieren“ und veranstaltete schon eine Soli-Party, „um die 10000 Euro wieder reinzubekommen, die uns das Verfahren bis jetzt gekostet hat“.

Klar, man kann jeden Markenstreit auch zum Marketing benutzen. Wahrscheinlich ist das aber eher eine Strategie für große, etablierte Unternehmen, die solche Beträge aus der Portokasse zahlen.

Für Gründer stehen die Kosten von Markenprozessen oft außer Verhältnis zum Werbeeffekt. Deshalb ist es wichtig, das man für alle (!) Phantasiebezeichnungen, die man am Produkt benutzen möchte, vorab eine Markenrecherche durchführt. Wenn man das gründlich macht, kostet es zwar ein paar hundert Euro, aber das sind immer noch zwei Nullen weniger als … (siehe oben).


Finden Sie den Fehler in diesem Bild!

09.09.2013 von Kraus

Sie kennen das wahrscheinlich von Ihrem eigenen Job: man ertappt sich oft dabei, wie man die Welt durch die fachliche Brille sieht. Nachdem ich Ihnen vor einer Woche von den Dreharbeiten zu „DIE WOCHE“ erzählt habe, kam ich heute an gleicher Stelle vor unserem Büro an diesem Schild nicht vorbei:

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Und jetzt die spannende Frage an Sie: Welcher Teil des Werbeschildes ist markenrechtlich verdächtig? Sie können unten im Kommentarfeld oder per Mail eine Antwort hinterlassen. Für alle richtigen Antworten gibt es einen Gratis-Zugang zu meinen kostenpflichtigen Downloads (andere Geschenkideen sind herzlich willkommen). Die Lösung wird in Kürze hier veröffentlicht.

NACHTRAG VOM 11.09.2013: DIE LÖSUNG

Ich muss mich wohl zunächst einmal bei allen Nicht-Kölnern entschuldigen, denn das Rätsel war total unfair – die Kölner hatten einen Vorsprung. Das zeigt sich vor allem an der Handvoll Antworten, die bei Facebook einging. Dort schrieb z.B. Frau Sabrina Adamo-Koczorowski: „als Kölner muss man das wissen und kennt das Traditionshaus … hat eine wunderschöne Spieluhr am Gebäude“ (von der Spieluhr wusste ich übrigens auch nichts). Von den über fünfzig Leuten, die sich getraut haben, tippten etwa ein Dutzend auf „Gaffel Kölsch“ oder „Brauhaus“. Einer vermutete das Problem im Bildlogo. Ich meinte aber die Meterangabe „47,11“, die eine Anspielung auf das ebenfalls aus Köln stammende „4711 Echt Kölnisch Wasser“ ist. Die richtige Antwort ist also „47,11 Meter“.

Mir fiel dazu nämlich ein Fall ein, der in den 1950er Jahren die Gerichte beschäftigte. Ein Unternehmen, das Jauchegruben entleerte, hatte sich zu Werbezwecken die Telefonnummer 4711 zugelegt und auf all seine „duftenden“ Tankwagen geschrieben. Fanden die witzig. Fand „4711“ nicht witzig. Das Jaucheunternehmen hat damals verloren.

Die alten Prozesse um 4711-Telefonnummern auf Jauchewagen oder auf Taxis spielten übrigens noch einmal eine Rolle, als vor ein paar Jahren die Frage aufkam, ob es eigentlich markenverletzend sein kann, wenn man „nur“ eine Domain benutzt, die einen fremden Markennamen enthält. Man erinnerte sich daran, dass es Urteile zu Telefonnummern gegeben hatte (die Telefonnummer, wie z.B. „4711“,  ist eine Adresse im Telefonnetz; die Domain ist eine Adresse im Internet).

P.S.: Für alle, die diesmal noch nicht richtig lagen – es gibt bald ein neues Rätsel.


Die Woche(n) – Film und Marke(n)

05.09.2013 von Kraus

Unser Bürohochhaus hat ein helles Foyer direkt an der Friedrichstraße in Berlin. Deshalb wird es gern mal als Filmkulisse genommen. Vor ein paar Jahren wurde es als Krankenhaus verkleidet (für eine Serie „Alex-Klinik“ oder so ähnlich) und ich schlenderte morgens durch herumstehende Chirurgen und Krankenschwestern ins Büro. Neulich war unser Hochhaus ein – vermutlich – Medienunternehmen namens „Die Woche“:

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Neugierig habe ich gleich mal beim Patentamt nachgeschaut, ob schon jemand vorsichtshalber „Die Woche“ als Marke angemeldet hat. Bisher wohl nicht.

Aber es gibt schon zwei ältere Zeitungsmarken „Die Woche“, nämlich eine deutsche Marke, die vielleicht löschungsreif ist, nachdem die entsprechende Zeitschrift laut Wikipedia nur von 1993 bis 2002 erschien:

DE02039158

Und eine schweizerische Marke, die anscheinend immer noch in Kraft ist:

CH00632173

Wenn das mal gut geht. 🙂


Rund 150 Euro Abmahngebühren sind genug

25.08.2013 von Kraus

Das bevorstehende Gesetz gegen Unseriöse Geschäftspraktiken, mit dessen Erlass nicht vor Ende September zu rechnen ist, beginnt schon heute zu wirken. Wie im Gesetz vorgesehen, hält das Amtsgericht Hamburg einen Streitwert von 1.000 Euro bei Filesharing-Abmahnungen für ausreichend, was zu Abmahngebühren (für den gegnerischen Anwalt) in einer Größenordnung von nur 130-150 Euro führt.

Auch die im Gesetz vorgesehene Abschaffung des sog. fliegenden Gerichtsstands wird von einigen Gerichten schon heute vorweggenommen. Nach dem Amtsgericht Frankfurt/M. hat sich auch das Amtsgericht Hamburg nunmehr der Meinung angeschlossen, dass sich die Abmahner das Gericht nicht mehr aussuchen dürfen.

Gute Nachrichten also. Sie können übrigens gern unten einen Kommentar hinterlassen.


Ehemänner sind wie Kinder …

25.08.2013 von Kraus

… klagen Frauen oft. Und jetzt ist das auch gerichtlich bestätigt: Nachdem der Bundesgerichtshof schon entschieden hatte, dass Eltern nicht für ihre Kinder haften (siehe meinen früheren Artikel), hat jetzt das Landgericht Düsseldorf klargestellt, dass Ehefrauen auch nicht auf Schadensersatz haften, wenn ihre Männer am Computer Dummheiten anstellen. Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht. Der Volltext findet sich aber in einer Mitteilung des Kollegen Tobias Goldkamp aus Neuss, der diese Entscheidung erstritten hat: Link zum Urteil. Bravo!

Es sieht also so aus, als ob erfreulicherweise mehr und mehr differenzierte Entscheidungen getroffen werden, statt der bislang leider häufigen und rein am Ziel „jemand muss zahlen“ orientierten 0815-Urteile. Oder wie sehen Sie das (Sie können gern unten einen Kommentar hinterlassen)?


Waldorf-Abmahnung wegen „Stirb langsam“

03.07.2013 von Kraus

Die Kanzlei Waldorf Frommer versendet derzeit Abmahnungen wegen des Films „Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ im Auftrag der Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany GmbH.

Auf diese wie auf viele (auch aktuelle) Abmahnungen wird die neue Streitwertregelung (1000 Euro, also etwas über 100 Euro Abmahnkosten) noch nicht direkt anwendbar sein. Mehr Infos zu Filesharing-Abmahnungen hier.


Neues Gesetz zu Abmahnkosten

29.06.2013 von Kraus

Vor drei Tagen hat der Bundestag das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ verabschiedet, womit u.a. das Abmahnunwesen eingedämmt werden soll. Das Justizministerium hofft, damit die Anzahl der Abmahnungen zu halbieren (derzeit geschätzt 320.000 jährlich).

Ziemlich optimistisch.

Gut: Wenn Sie zu Unrecht abgemahnt werden, dann haben Sie jetzt einen Kostenerstattungsanspruch. Bisher musste man sich in solchen Fällen immer überlegen, ob man den kostenträchtigeren Weg der negativen Feststellungsklage einschlagen möchte, um die eigenen Anwaltskosten erstattet zu bekommen.

Außerdem ist (wie früher schon im Markengesetz usw.) eine Streitwertherabsetzung für arme Betroffene vorgesehen. Ob man das gut findet, hängt wohl vom eigenen Standpunkt ab. Die sich gegenüberstehenden Pole des Meinungsspektrums könnte man überspitzt so darstellen:

– Extrem 1: Der kleine Gründer, Hoffnungsträger des Unternehmertums, der oft von raffgierigen Abmahnern aus dem Geschäft gedrängt wird, bevor er überhaupt einen Cent verdienen konnte, hat jetzt endlich eine zusätzliche Chance der Rettung.

– Extrem 2: Der mit allen Wassern gewaschene angebliche Kleinunternehmer, der neben seinen ALG-II-Bezügen heimliche Gewinne einfährt, hat jetzt noch eine Ausrede mehr.

Und was sagen Sie? Die Kommentarfunktion (unten: „Antwort“) ist geöffnet:


Neues Gesetz zum Filesharing: Gute und schlechte Nachrichten

29.06.2013 von Kraus

20130701_171940Vorgestern hat der Bundestag ein neues „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ beschlossen, dass sich auch mit Filesharing-Abmahnungen befasst.

Die erste gute Nachricht: Falls Sie noch nicht verklagt sind, dann können Sie nicht – wie das bisher der Fall war – vor irgendeinem deutschen Gericht verklagt werden, sondern nur noch vor Ihrem Wohnort-Gericht. Das ist gut für Sie, denn für die Abmahner ist es nun nicht mehr möglich, mit allen Sachen zum gleichen – beliebten – Gericht zu gehen und dort eine Fließband-Rechtsprechung zu etablieren.

Die zweite gute Nachricht: Der Bundestag hat in dem Gesetz nochmals bekräftigt, dass die Abmahnkosten in der Größenordnung von 130 Euro liegen sollten – da kommt dann aber unter Umständen noch der Schadensersatz hinzu.

Und jetzt die schlechten Nachrichten: Zum Einen ist die neue Kostenregelung nicht unmittelbar auf Altfälle anwendbar, gilt also nicht direkt zu Ihren Gunsten, wenn Sie heute bereits abgemahnt sind (wird aber wohl indirekt die Gerichtsentscheidungen in Richtung niedriger Streitwert beeinflussen). Zum Anderen gibt es noch ein Hintertürchen für die Abmahner: in Ausnahmefällen sollen nach wie vor höhere Abmahnkosten möglich sein.

Falls Sie interessiert, wer Schuld ist: Die CDU/CSU/FDP haben das Gesetz so durchgesetzt. SPD/Linke haben sich enthalten. Die Grünen waren dagegen, weil ihnen das Gesetz nicht weit genug ging. Der Gerechtigkeit halber muss man dazu sagen, dass das Justizministerium unter Frau Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) das Gesetz auf der anderen Seite gegen den Lobby-Druck der Musik- und Filmindustrie anschieben musste.

Und was sagen Sie dazu? Sie können gern hier unten einen Kommentar (Antwort) hinterlassen.


Neue Widerrufsbelehrung ab Juni 2014

18.06.2013 von Kraus

Nachdem der Bundestag vor etwa einer Woche ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat, wird es wohl ab Juni 2014 eine neue Widerrufsbelehrung geben.

In der Sache wird sich nicht dramatisch viel ändern. Aber wie immer muss man natürlich höllisch aufpassen, damit keine abmahnbaren Situationen entstehen. Also mal wieder ein nettes Stück Mehrarbeit für die Betreiber von Online-Shops und für alle anderen Fernabsatzunternehmen – und bestimmt ein rieeeeesiger Nutzen für die Kunden.

Mehr dazu in Kürze.

P.S.: Was sagen Sie zum Sinn und Unsinn der Informationspflichten? (Die Kommentarfunktion unten ist geöffnet.)