Abmahngefahr für Amazon-Verkäufer

28.01.2016 von Kraus

Im Juli 2015 fällte das Oberlandesgericht Hamm ein Urteil, in dessen Folge wohl derzeit jeder abgemahnt werden kann, der bei Amazon verkauft.

Grund ist die sogenannte Empfehlungsfunktion, die bei Amazon fest eingebaut ist und sich nicht abschalten lässt. Die ist laut Auffassung des Gerichts wettbewerbswidrig, weil sie ermöglicht/ermuntert, verbotene Spam-Mails zu verschicken.

Damit kann wohl derzeit jeder Händler jeden Wettbewerber der bei Amazon verkauft, zunächst abmahnen und erforderlichenfalls im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm auch erfolgreich verfügen lassen.

Solche Abmahnungen werden/sollten nur solche Händler aussprechen, die selbst nicht bei Amazon verkaufen und auch sonst keine Empfehlungsfunktionen benutzen.

Es bleibt abzuwarten, ob Amazon irgendwann auf diese Rechtsprechung reagiert und die Empfehlungsfunktion zumindest abschaltbar gestaltet. (UPDATE dazu vom 03.02.2016: Dem Vernehmen nach antwortet der Verkäuferservice von Amazon.de derzeit auf Anfragen von Händlern, man habe bei Amazon die Pressemitteilung des OLG Hamm zur Kenntnis genommen, prüfe diese derzeit intern und werde gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen.)

P.S.: Was halten Sie von dieser Rechtsprechung (richtig/falsch?) und Ihren Auswirkungen. Ich würde mich freuen, wenn Sie unten eine Frage stellen oder einfach nur Ihren Kommentar hinterlassen.

P.P.S.: Für alle, die mehr Einzelheiten wollen, ist hier der Link zum Volltext der Entscheidung:

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2015/4_U_59_15_Urteil_20150709.html

Die maßgebliche Passage lautet:

„Die Verfügungsbeklagte haftet für die Zusendung der Empfehlungs-E-Mails als Täterin. Auch insoweit ist es ohne Bedeutung, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse durch einen Dritten zurückgeht. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails auf die gerade zu diesem Zweck von der Verfügungsbeklagten genutzte Weiterempfehlungsfunktion zurückgeht und die Verfügungsbeklagte beim Empfänger der Empfehlungs-E-Mail durch den Link auf ihre Angebotsseite als Absenderin erscheint. Der Sinn und Zweck der Weiterleitungsfunktion besteht auch und gerade darin, Dritten (unter Mitwirkung unbekannter weiterer Personen) solchermaßen einen Hinweis auf den Internetauftritt der Verfügungsbeklagten zu übermitteln. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Verfügungsbeklagte den Missbrauch der Empfehlungsfunktion nicht in Kauf nimmt. Denn es ist offensichtlich, dass die Weiterleitungsfunktion gerade dazu benutzt wird, an Dritte Empfehlungs-E-Mails zu versenden, ohne dass Gewissheit darüber besteht, ob sie sich damit einverstanden erklärt haben (Vgl. BGH GRUR 2013, 1159, 1260 – Empfehlungs-E-Mail).“

Übrigens hatte nicht einmal irgend jemand eine solche Empfehlungsmail erhalten, sondern die Anwälte des Abmahners hatten sich selbst eine Testmail geschickt, um zu zeigen, dass allein schon durch das „Zurverfügungstellen“ der Empfehlungsfunktion eine sogenannte Erstbegehungsgefahr bestünde:

„Hinsichtlich des Verfügungsantrags zu 2. ist jedenfalls die für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 UWG glaubhaft gemacht. Allein mit dem Zurverfügungstellen der in Rede stehenden Weiterempfehlungsfunktion besteht nämlich schon die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr einer erstmaligen Begehung. Denn hiermit hat die Verfügungsbeklagte alles getan, um die Nutzung der Funktion zu ermöglichen und den Versand von E-Mails mit einem weiterführenden Link auf ihr Angebot, und zwar auch ohne Einwilligung des jeweiligen Adressaten auszulösen. Dass ein Versenden von derlei E-Mails auf diesem Wege unproblematisch möglich ist, hat die Verfügungsklägerin mit der Vorlage der Testmail ihrer Prozessbevollmächtigten (Anlage ASt 7) und eines Screenshots der sodann mittels des weiterführenden Links geöffneten Angebotsseite der Verfügungsbeklagten (Anlage ASt 8 ) glaubhaft gemacht. Hiermit sind sämtliche vorbereitenden Maßnahmen getroffen, die einen künftigen Eingriff unmittelbar befürchten lassen und die notwendige Erstbegehungsgefahr begründen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.23 mwN), auch wenn nicht ausnahmslos jede Weiterempfehlungsmail zum Angebot der Verfügungsbeklagten führen mag.“